Die Kundin im Coaching hadert mit der Tatsache, dass sie nicht studiert hat. Es macht sie seit vielen Jahren einfach fertig, denn sie fühlt sich als Mensch zweiter Klasse.
Sie erinnert mich an eine Fotografin, die regelmäßig zu mir ins Coaching kam. Und zwar immer dann, wenn sie von sich selbst dachte, sie sei eine riesengroße Mogelpackung. Der Hintergrund: sie hatte einen ganz anderen Beruf gelernt und sich ihre Fotografen-Expertise „nebenbei“ erworben.
Gemeinsam sortierten wir ein paar Fakten: Wie das Jahr gelaufen ist, wie viel Umsatz sie gemacht hatte, wie viele Fotostrecken sie an Hochglanzmagazine verkauft hatte, und später dann die ersten veröffentlichten Bücher. Sie war (und ist) nachweislich sehr erfolgreich, doch es fühlte sich für sie nicht so an.
Für dieses Phänomen gibt es inzwischen sogar einen wissenschaftlichen Begriff: Impostor-Syndrom. Sehr viele Betroffene werden von massiven Selbstzweifeln hinsichtlich eigener Fähigkeiten, Leistungen und Erfolge geplagt.
Gelegentliche Selbstzweifel sind im Coaching Tagesordnung.
Eine gute Mischung zwischen Größenwahn und Selbstzweifel halte ich für sehr gesund und hilfreich.
Ich kann nichts. Ich weiß nichts. Ich bin nichts.
Was genau beweist ein Studium? Es ist ein Zeugnis darüber, dass du bestimmte Sachen gelernt hast. Und dass du durchgehalten hast. Erfolgreich gelernt hast und zur Belohnung einen Titel und ein Zertifikat bekommen hast. Es ist eine Eintrittskarte für den Berufseinstieg.
Im Laufe meines Lebens habe ich etliche Zertifikate erworben. Fast alle schlummern selig irgendwo in dunklen Ordnern. Mein Abitur-Zeugnis habe ich genau ein einziges Mal benötigt: die Ludwig-Maximilians-Universität brauchte es der Ordnung halber für meinen Lehrauftrag.
Der einzige wichtige Schein ist mein Führerschein. That’s it.
Für Erfolg und Zufriedenheit im Leben ist es völlig uninteressant, was du irgendwann mal gelernt hast.
Es ist viel wichtiger, was du heute tust.
Und wie du es tust.
Ob du mit Herz und Seele agierst und sich deine Kunden oder Kollegen von dir verstanden und gesehen fühlen.
Oder ob du eine Dienstleistung oder ein Produkt anbietest, das anderen Menschen nützlich ist.
Ich kenne eine Menge Menschen, die theoretisch viel könnten, in der Praxis aber deutlich unter ihren Möglichkeiten bleiben.
Ich kenne sehr viele Quereinsteiger, die auf ihre Art und Weise sehr originell erfolgreich wurden.
Unser Schulsystem insgesamt vermag viele (besonders kreative) Menschen nicht abzuholen. Außerdem gibt es immer noch genug Eltern, die ihren Kindern aus finanziellen Gründen weder Abitur noch Studium ermöglichen können.
Es ist uninteressant wer du warst, es kommt darauf an, wer du heute bist.
Und ob du es fühlst.
Meine Fotografin kam einige Jahre zu mir ins Coaching, doch die Abstände wurden größer. Bis sie irgendwann nicht mehr kam, weil sie wusste, wer sie war. Gelegentlich erhalte ich eine Postkarte von den schönsten Shooting-Orten der Welt von ihr und weiß, was es bedeutet.
Wenn ich es mir aussuchen könnte, hätte ich auch gerne einen Doktor-Titel.
Ich finde, der macht sich sich sehr gut auf Visitenkarten und positioniert einen von Anfang an.
Doch so bleibt mir nur die Hoffnung auf einen Karnevalsorden. 
Vergnügte Grüße in eine sommerliche Woche schickt
Dir und Ihnen
Monika Scheddin
P.S. Du kennst das Gefühl und hältst Dich auch gelegentlich für eine Mogelpackung? Dann habe ich etwas für dich. Schreibe mir an office@scheddin.com und ich sende dir eine Auswahl an Coaching-Fragen zum Thema.